Presseerklärung Bündnis 90/Die Grünen Groß-Gerau zum Regionalen Entwicklungskonzept (REK) Südhessen

Im Juli 2019 veröffentlichte das Regierungspräsidium Darmstadt ein Gutachten zum Regionalen Entwicklungskonzept (REK) Südhessen. Aufgrund der bereits mehrfach geäußerten heftigen Kritik an diesem Gutachten hat die Regionalversammlung am 13.12.2019 den Beschluss gefasst, dass dieses Konzept in der vorgelegten Form nicht umgesetzt werden soll. Das Regierungspräsidium wurde aufgefordert, eine aktualisierte Planung vorzulegen. Offenbar gewinnt die Diskussion um das Entwicklungskonzept an Dynamik: Deshalb ist die Mitwirkung unserer Region und unserer Kommunen zum jetzigen Zeitpunkt äußerst wichtig und dringlich.

Wir Grünen in Groß-Gerau halten dieses Entwicklungskonzept, das als Grundlage für die Fortschreibung des Regionalen Flächennutzungsplans erhebliche Auswirkungen auf die Kreisstadt und den Kreis Groß-Gerau haben wird, grundsätzlich für verfehlt. Zu hoch ist der Ressourcenverbauch an unbebauten Flächen und unberücksichtigt sind Aspekte wie die nachhaltige Entwicklung von Naturräumen, Landwirtschaft, Klimaschutz, Verkehr und Infrastruktur. Da der Regionale Flächennutzungsplan aktuell für den Zeitraum 2020 – 2030 neu aufgestellt wird, ist es höchste Zeit zu handeln und eine öffentliche Diskussion in den betroffenen Kommunen zu führen.

Alle 75 Kommunen der Rhein-Main-Region werden im Hinblick auf mögliche Flächennutzungen in dem Gutachten beschrieben –  allerdings ausschließlich unter dem Aspekt der Verfügbarkeit für eine Bebauung: Grundstücke und Gebiete werden verharmlosend zum „Flächenpool“ – und zwar ausschließlich für die drei Bereiche „Siedlung“, „Gewerbe“ und „Logistik“.

Während im derzeit noch gültigen Flächennutzungsplan von 2011 der Erhalt und Schutz von Vorranggebieten für Landwirtschaft, Natur und Landschaft, regionale Grünzüge und Vorbehaltsgebiete für Klimaschutz ausführlich dargestellt sind, erwähnt der vorliegende Entwurf weder die Funktion der Landwirtschaft in unserer Region noch kommt dem Natur- und Klimaschutz eine nennenswerte Rolle zu. Im Gegenteil: Anstatt Grünzüge nachhaltig zu schützen, werden nun „Arrondierungen“ erlaubt und auch das Entwicklungsziel Klimaschutz vor dem Hintergrund des Klimawandels fehlt.

Wir bemängeln an dem Gutachten, dass hier ungebremster Flächenverbrauch in Südhessen betrieben wird. Verlierer dieses Entwicklungskonzepts ist neben Natur- und Klimaschutz vor allem die Landwirtschaft: So stammen von 3400ha prioritärer Flächen für die Außenentwicklung „Siedlung“ 3150ha aus landwirtschaftlichen Flächen (+200 ha Forst). Für den prioritären „Flächenpool“ Gewerbe und Logistik sind die Nutzung weiterer 1300ha landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Böden vorgesehen.

Der Ausweis von Ausgleichsflächen für die Bebauung ist nicht angedacht – tatsächlich auch kaum noch möglich. Ebensowenig wird für das gesamte Plangebiet Südhessen, in dem 208 000 (!) neue Wohneinheiten entstehen sollen, aufgezeigt, wie die Versorgung der Menschen mit Grundwasser und die Entsorgung von Abwasser gewährleistet werden sollen. Notwendige Infrastrukturmaßnahmen sind nicht aufgezeigt, eine Wohntypisierung gibt es auch nicht. Und neue Transportmittel bzw. neue Schienentrassen (Planungszeit mindestens 20 Jahre) sind (noch) nicht vorhanden.

Unverhofft wird unser Kreisgebiet das bevorzugte planerische Ziel zur Ansiedlung von weiteren Logistikunternehmen in Südhessen. Sowohl zwischen Gernsheim und Groß-Gerau entlang der B44 – die laut Gutachten vierspurig ausgebaut werden sollte (!) – als auch zwischen Groß-Gerau und Büttelborn sollen in einem unvorstellbaren Ausmaß neue Logistikflächen ausgewiesen werden. Dies wäre zum einen verkehrsmäßig keinesfalls zu bewältigen, zum anderen hätte es zum Beispiel die Folge, dass die gesamten unbebauten, überwiegend landwirtschaftlichen Flächen zwischen Groß-Gerau und Büttelborn (gegenüber dem Helvetia Parc) mit Logistikhallen zugebaut würden. Darüber hinaus ist entlang der Autobahn in Büttelborn Ost ein weiteres Gewerbegebiet mit 81 Hektar Gesamtgröße geplant, was die zweitgrößte Logistikpotenzialfläche in Südhessen wäre.

Groß-Gerau wäre dann nicht mehr im Grünen, sondern eingeschlossen von Logistikflächen. Das darf nicht im kommenden Flächennutzungsplan festgeschrieben werden! Wir Grünen sagen dazu: nein danke!

Auf unsere Anfrage hin hat die Stadtverwaltung im November 2019 alle im Entwicklungskonzept für Groß-Gerau beschriebenen Flächen konkret benannt. Hieraus geht hervor, dass weitere Gewerbe- und Logistikflächen u. a.  in der Münchner Straße, Am Hermannsberg und am Lausböhl vorgesehen sind. Neue Wohnbauflächen sind u. a. Im Hain sowie in Berkach, Wallerstädten und in Dornheim benannt. Der überwiegende Teil dieser Siedlungsflächen sind derzeit unbebaute Flächen, d. h. Ackerflächen.

Wir Grünen sehen die Bebauung von Grün- und Ackerflächen grundsätzlich sehr kritisch. Für uns hat das verdichtete Bauen im Innenbereich Priorität, um keine zusätzlichen Flächen verbrauchen zu müssen. Deshalb fordern wir, alle im Entwicklungskonzept benannten Grundstücke und Flächen in Groß-Gerau zeitnah in den zuständigen Ausschüssen und Gremien von den Stadtverordneten zu beraten und eine öffentliche Beschlussfassung über die Inhalte des Entwicklungskonzepts herbeizuführen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lädt für Montag, den 10. Februar 2020, zu einer öffentlichen Fraktionssitzung zum Thema „Regionales Entwicklungskonzept Südhessen – Folgen für die Kreisstadt und den Kreis Groß-Gerau“ ein. Die Sitzung beginnt um 19 Uhr im Historischen Rathaus. Franz Urhahn, Mitglied der Grünen in der Regionalversammlung Hessen, wird einen Vortrag über die Inhalte des Entwicklungskonzepts halten. Anschließend besteht die Möglichkeit zur Diskussion. Alle interessierten Bürger*innen sind herzlich eingeladen, an der Veranstaltung teilzunehmen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Renate Wahrig-Burfeind

(Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen)

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