Groß-Gerau ist keine Großstadt – und das ist auch gut so. Unsere Innenstadt ist geprägt von kleinen, inhabergeführten Geschäften, kurzen Wegen und einer eher ruhigen Atmosphäre. Es gibt hier kein Gedränge, keine Dauerbeschallung aus Lautsprechern und keine blinkenden Werbedisplays an jeder Ecke. Und doch stellt sich auch bei uns die Frage: Wie können wir die Innenstadt so gestalten, dass sie ein attraktiver Ort bleibt für den Einkauf, für Begegnung und für den Alltag?
Ein Blick nach Wiesbaden bietet einen interessanten Impuls: Dort haben sich über zwanzig Geschäfte zusammengetan und bieten jeden Donnerstag eine Stille Stunde an. Zwischen 15 und 17 Uhr verzichten sie bewusst auf Musik, Durchsagen und grelle Beleuchtung. Das schafft eine ruhige, reizärmere Atmosphäre – besonders wohltuend für Menschen mit Reizsensibilität oder Autismus, aber auch für alle anderen, die sich ein entschleunigtes Einkaufserlebnis wünschen.
Was hat das mit Groß-Gerau zu tun?
Auch wenn es in unserer Innenstadt nicht laut zugeht, ein Faktor stört die ruhige Stimmung doch erheblich: der Autoverkehr. Noch immer durchqueren viele Fahrzeuge die Einkaufsstraße, obwohl die Aufenthaltsqualität darunter leidet. Wer draußen einen Kaffee trinken oder einfach bummeln möchte, nimmt zwangsläufig Motorengeräusche und Abgase in Kauf.
Gerade deshalb ist die Idee der Stillen Stunde auch für Groß-Gerau interessant – nicht als 1:1-Übernahme, sondern als Impuls. Wie können wir unsere Innenstadt noch angenehmer gestalten? Wo gibt es Raum für bewusste Ruhe, achtsames Einkaufen und neue Formen von Aufenthaltsqualität? Kleine Maßnahmen wie eine ruhige Stunde im Handel, Ruhebänke ohne Verkehrslärm oder autofreie Zonen zu bestimmten Zeiten könnten viel bewirken – auch ohne großen Aufwand.
Kleinstadt kann mehr.
Wir Grünen setzen uns für eine Innenstadt ein, die nicht nur funktional ist, sondern auch lebenswert. Eine Innenstadt, in der man gerne verweilt – gerade weil es ruhiger zugeht. Die Idee der Stillen Stunde zeigt, dass Wirtschaftsförderung, Barrierefreiheit und Lebensqualität zusammen gedacht werden können. Und dass gerade kleinere Städte wie Groß-Gerau dafür gute Voraussetzungen mitbringen.
Vielleicht ist jetzt der richtige Moment, über neue Perspektiven nachzudenken: weniger Durchgangsverkehr, mehr Raum für Menschen und ein achtsamer Blick auf das, was unsere Innenstadt schon heute auszeichnet.
(Beitrag und Fotos: Ulla Blohberger, Titelbild: Adobe Stock)