Corona Krise: Positive Erfahrungen weiter entwickeln und kommunal verankern

  • Neue Chancen, die Weichen unseres Lebens nachhaltig umzustellen

Mit der gedrückten Pausentaste haben wir nicht nur Ängste und Entbehrungen erfahren. Es gab auch Zugewinne im Bereich Lebensqualität und Miteinander.

Auch haben sich neue Chancen aufgetan für Kurskorrekturen unseres bisherigen Lebensstils: Erholung der Natur durch Entschleunigung und Verringerung von CO2 , Verbesserung von Schlaf und Gesundheit durch reduzierten Verkehr, Ressourcen schonender und Umwelt bedachter Konsum, gemeinwohl- orientierte, soziale und medizinische Infrastruktur, klimagerechte Mobilität, fair entlohntes und kreislaufvernetztes Wirtschaften, tierwohlgerechte und giftfreie Landwirtschaft, grüne Treibstoffe, friedliche und wertschätzende Koexistenz.

  •  Nebenan: Das sind doch wir alle gemeinsam!

In der Stadt haben wir erlebt, dass viele, gerade auch junge Mitbürger*innen, Fähigkeiten und Zeitressourcen aufgeboten haben, um anderen bei der Bewältigung der Krise zu helfen: Angebote zur Nachbarschaftshilfe, Arbeit bei der Tafel, Ernte-Unterstützung, Bildung von Netzwerken (Austausch und Austauschen), kreative kulturelle und kirchliche Digital-Begegnungen, privat geschneiderte Mund-Nasen-Schutzmasken u.v.a.m. Das Bedürfnis nach verantwortlichem Zusammenhalt ist in der Stadtgesellschaft gewachsen.

  • Nachhaltiges Einkaufsverhalten bekommt eine Chance!

Das Bedürfnis nach Sicherheit und Gesundheit ist in der Krise gewachsen. Dies drückt sich aus im Boom beim Fahrradkauf, im vermehrten Einkauf von regional erzeugten Lebensmitteln und Gartenpflanzen auf unserem Markt, im Bioladen, in den Hofläden. Selbstversorgung im Garten oder bei umliegenden Ackerbau-genossenschaften hat Konjunktur. Weil Massentierhaltung und -schlachtung neben der bekannt schlechten Umwelt- und Ausbeutungsbilanz auch Seuchen schneller verbreitet, geht auch der Fleischverbrauch zurück. Bio-Erzeugnisse werden endlich stärker nachgefragt. Prima Perspektive für unsere im Aufbau befindliche Modellregion „Ökolandbau“!

  • Hoffnung auf klügere und nachhaltige Wirtschafts- und Handelsregeln wächst!

Viele von uns haben die Verletzlichkeit der Wirtschaft und ihre sozialen Folgen im Corona-Alltag erlebt: Knapp auf Kante genähte globalisierte Lieferketten, Waren- und Medikamentenengpässe, Produktionsstillstand und Kurzarbeit. Die bisher praktizierte Globalisierung erlebt auch in unserem Umfeld eine deutliche Entzauberung. Offensichtlich gibt es bei rücksichtsloser Wachstums-Ökonomie und Herstellung von gesundheits- und umweltschädlichen Gütern für viele inzwischen ein Zuviel: Sollten nicht viel mehr grundlegende Dinge im regionalen / überregionalen Nahbereich gefertigt, transportiert, vermarktet, getauscht, wiederverwendet oder repariert werden? Und dies unter fairen und Natur verträglichen Herstellungsbedingungen?

Mit dem Digitalisierungsschub werden nützliche Instrumente auch für den ökologischen Wandel erkennbar (z.B. ressourcensparende smarte Agrartechnik, energieeffiziente smarte Haustechnik). Der enorme und alle Verkehre übertreffende CO2 Ausstoß durch weltweit agierende Großrechner hat inzwischen auch bei unseren jungen Klimaschützern für Nachdenklichkeit und Abwägungsbedarf gesorgt.

  • Ökologische Bedeutung freier und artenreicher Böden als wichtig erkannt!

Viel mehr Bürger als sonst hat es ins Freie gelockt. Dabei haben Naturgebiete, die bisher nicht allen bekannt waren, sowie auch der heimische (fluglärmreduzierte) Wald an Attraktivität hinzugewonnen. Allerdings führen plastikbezogene Felder, „ausgeräumte“ artenarme Landschaften oder die Zerstörung von ökologisch bedeutsamen Freiflächen/ Böden durch Versieglung und Bauwut zu immer mehr Unverständnis. Wie ist gutes Leben gerade in Ballungsräumen zu sichern, wenn wir die Naturpotentiale unserer Umgebung zerstören anstatt sie zu stärken? Ist gebietsheimische biologische Vielfalt nicht wichtiges Gemeingut? Das Engagement vieler Stadtbewohnern für Stadtgrün, Blühstreifen und Grüngürtel ist jedenfalls deutlich gewachsen.

  • Politik kann handlungsfähig und durchsetzungsstark sein – auch in der Bewältigung der Klimakrise!

Viele von uns haben den Wert der öffentlichen Infrastruktur (Behörden, Einrichtungen und deren Personal) wieder schätzen gelernt. Es hat sich gezeigt, dass Politik durchaus vitale Prioritäten (Lebensschutz) setzen kann, in der Lage ist, zupackend Regeln zu erlassen und Gefährliches zu verbieten. Dies in der Abwägung „demokratischer Zumutungen“ und unvermeidbarer Irrtümer und ohne Rücksicht auf Popularitätswerte. Dass Politik auf die Schnelle Milliarden Euro locker machen kann für Kurzarbeit, Soforthilfen und Konjunkturpakete ist erstaunlich. Wir wünschen uns, dass der Staat diese neuen Praxiserfahrung im ähnlich starken Schulterschluss mit der Wissenschaft nutzt für die notwendige und beschleunigte Bewältigung der planetaren Klimakrise. Auch bei uns wird es verstärkt darum gehen, die lokalen Auswirkungen des Klimawandels (Dauerhitze, Starkregen, Dürre, Schädlingsbefall, Grundwasserrückgang) für Stadtbewohner und Natur erträglicher zu gestalten (z.B. Maßnahmen zur Klimawandelanpassung).

18.6.2020                                                                                                    Jutta Stern

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